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Zu Besuch bei One World Award-Gewinner Timbaktu-Kollektiv


Anlässlich seines Besuchs organisierten Bablu Ganguly und Mary Vattamattam mit den Timbaktu-Führungskräften eine Dialog-Veranstaltung mit Joseph Wilhelm - und präsentierten ihm dabei den kleinen Rapunzel Bully.
[Juli 2015] Eine beeindruckende Gemeinschaft: Das Timbaktu-Kollektiv, eine Gewerkschaft für Landarbeiter in Südindien. Für den umfassenden Ansatz, die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Kleinbauern zu verbessern und der Landbevölkerung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, ist das Kollektiv mit dem One World Award 2014 ausgezeichnet worden. Nun besuchte Rapunzel Gründer Joseph Wilhelm Timbaktu und berichtet hier direkt von seinen persönlichen Eindrücken. 

Im Kollektiv die Welt verbessern: Eindrücke aus Südindien

von Joseph Wilhelm, Rapunzel Gründer
Es ist schon fast Tradition, dass ich den Gewinner des One World Award (OWA) besuche. Bei einer Reise nach Indien konnte ich jetzt das von Mary Vattamattam und Bablu Ganguly  gegründete Kollektiv Timbaktu persönlich kennenlernen. Seit 1990 vertritt Timbaktu als Gewerkschaft die Interessen der Landarbeiter in Andrah Pradesh in Südindien, etwa zwei Autostunden von der stark wachsenden Metropole Bengaluru entfernt.
 

Mary Vattamattam und Bablu Ganguly


Mary und Bablu spielen auch 25 Jahre nach der Gründung des stark wachsenden Kollektivs die tragende Rolle. Sie leben in einem einfachen Anwesen inmitten der ursprünglichen Siedlung, um die sich weitläufig die Gebäude im Wald- und Buschgebiet verstecken. Es gibt eine eigene Schule, einen Kindergarten, eine kleine Landwirtschaft sowie den frisch renovierten Versammlungssaal für über 200 Menschen. In einfachen Gästehäusern lässt es sich gut aushalten. Und in der schlichten, sehr sauberen Küche werden schmackhafte, typisch indische Speisen für Mitarbeitende, Schüler und Gäste zubereitet.

Die Hauptverwaltung von Timbaktu mit Lager und Verarbeitung der landwirtschaftlichen Untergenossenschaft liegen zehn Kilometer entfernt in  Chennekothapalli Village. Das ehemalige Schulgebäude dieses Dorfes wird für Behindertenarbeit genutzt.
Das Kollektiv ist als Dachorganisation organisiert. Die operative Strategie ist es, verlässliche, nachhaltige und demokratische Dorfgemeinschafts-Strukturen aufzubauen und deren Arbeit zu unterstützen.

Gemeinsames Mittagessen im Schatten der Bäume beim Besuch von Joseph Wilhelm beim Timbaktu-Kollektiv.
 Je nach Thema gibt es verschiedene Arbeitsgruppen:
 
Chiguru:   alternative Erziehung und Rechte für Kinder und Jugendliche
Militha:   Behindertenarbeit / Inklusion
Sawasakthi:   Frauenbewegung und alternative Bank / Mikrodarlehen
Dharani:   Biolandwirtschaft und Entwicklung ländlicher Märkte
Gramasiri:   Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Landarbeitern
Kalpavalli:   Naturschutz, Wiederaufforstung, Gewässerschutz, Dorfgartenentwicklung
Sruthi:   Verwaltungs- und Managementunterstützung

Vom dürren Land zur zu üppigen Wildnis

Mary und Bablu kannten von ihrem früheren politischen Engagement bereits bestens die regionalen Bedingungen. Außerdem hatten sie hervorragende Beziehungen zur lokalen Bevölkerung. Daher war es ein konsequenter Schritt, das Timbaktu-Kollektiv zu gründen. Viele Freunde und hilfreiche Organisationen unterstützen sie dabei. Neben Mary und Bablu sind auch heute noch einige Mitgründer und Aktivisten bei Timbaktu aktiv.

Vor 25 Jahren war das Gelände von Timbaktu ein Stück ausgedorrtes und verwahrlostes Land, es galt als wertlos. Heute blüht hier üppige Wildnis mit stets wachsender Biodiversität und einem Naturschutzreservat. Ich durfte dies deutlich erleben und hören – durch die einzigartige Geräuschkulisse der Vogelwelt um mein Gästehäuschen. Dieses Haus wird übrigens wie alle anderen Gebäude auf dem Gelände ausschließlich mit Solarstrom versorgt. Während meiner intensiven Tage dort besuchte ich die vier Untergenossenschaften und verschiedene Arbeitsgruppen.

Kinder von Landarbeitern tanzten zum Besuch von Rapunzel.

Schwieriges, soziales Engagement


Einige Bereiche, wie Mikrokredite oder Bio-Anbau sowie die Verarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte entwickeln sich wirtschaftlich sehr erfreulich und schreiben inzwischen bescheidene schwarze Zahlen.
Andere Bereiche sind eher wirtschaftliche Sorgenkinder und bleiben weiterhin auf Spenden angewiesen, da es keinerlei staatliche Unterstützung gibt.

Dabei hat mich das schulische Engagement besonders beeindruckt. Hier werden vor allem Kinder aus armen Familien und aus schwierigen sozialen Verhältnissen betreut, teilweise auch im eigenen Internat. Bei Theater- und Tanzaufführungen durfte ich die Begeisterung der Kinder miterleben. Ebenfalls einzigartig empfand ich die Arbeit mit Behinderten, welche in Indien ein besonders schweres Los haben. Bei einer Veranstaltung mit rund 120 Teilnehmenden aus allen Bereichen durfte ich den hohen Standard der einzelnen Arbeitsgruppen erleben. Besonders beeindruckte mich, mit welcher Begeisterung und Ausdrucksfähigkeit einzelne ihre Arbeit vorstellten.

Handarbeit in Timbaktu: Frauen reinigen Hülsenfrüchte von Steinen und Unkraut.

Gemeinschaft erleben


Die Zusammenkünfte der Kooperative werden immer mit gemeinschaftlichen Gesang eröffnet und beendet. Dazu wird eine zum Thema passende Ode gemeinsam vorgetragen. Dies verstärkt die Motivation. Mich hat das sehr beeindruckt.
Auf den Feldern und in den Gesprächen mit den Bauern konnte ich den Fortschritt in der Umstellung auf Bio-Landwirtschaft deutlich sehen. Von Mischkulturen mit Lockblumeneinsaat bis zur hofeigenen Herstellung von Wurmkompost und Flüssigdünger beherrschen diese Kleinbauern vielfältige und standortgerechte Maßnahmen. Die Agraringenieure der Kooperative unterstützen sie dabei.

Hauptkulturen sind Erdnüsse, Hülsenfrüchte und lokale Hirsesorten. Diese Früchte stellen die Hauptgrundlage der familiären Ernährung dar. Überschüssige Erdnüsse und Hirse werden als sogenannte "Cashcrop" an die eigene Genossenschaft verkauft. Aktuell sind 1800 Kleinbauern mit über 9000 Acres aus 45 Dörfern im Bio-Programm der Genossenschaft engagiert. Die positive Entwicklung und der nachhaltige Erfolg ermutigt immer mehr Bauern, sich der Kooperative anzuschließen.

Ich schreibe diese Zeilen während der Mittagsruhe, bei 38 Grad Celsius, um im entsprechenden "Spirit" zu sein. Dabei wird mir immer klarer: Die Jury hat aufgrund des Berichtes unseres Jurykoordinators Bernward Geier das Richtige als sogenanntes "Leuchtturmprojekt" gewählt. Dieser OWA-Preisträger macht vielen anderen engagierten Menschen Mut, sich für bessere und lebenswerte Zukunft für alle auf dieser "Einen Welt" einzusetzen. Umso schneller wir die Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten auf dieser Erde beseitigen, umso schneller wird die Erde zu einem friedlichen Ort werden. Ein Ort, an dem alle Menschen ihr Auskommen finden - ganz im Sinne von Ghandi: "Die Erde kann alle Menschen mit dem Notwendigen versorgen, aber kann nicht die Gier Aller befriedigen".